Morgenpostbericht vom 07.09.2004

Maria hatte Glück

Nur wenige Mädchen haben die Chance in einer klassischen Männerdomäne, eine Kfz-Lehre aufzunehmen

Von Hans Evert

Berlin – Ihre Schulnoten haben beim Einstellungsgespräch nicht interessiert. Andere Sachen waren wichtiger. Zum Beispiel, ob sie mit Männern kann. Maria hat die Frage bejaht und jetzt darf sie jeden Tag die grauen Latzhosen tragen, die ihr ein wenig zu groß sind. Sie darf schrauben und auswuchten und am Ende des Arbeitstages muss sie die öligen Hände mit Waschpaste schrubben bis die Haut rot wird. Maria Lenz, 20 Jahre alt, Abiturientin, ist jetzt da, wo sie hinwollte. Sie lernt in einer Kfz-Werkstatt bei Carparts Promoter in Schöneberg. Und dass sie dort die einzige Frau in der Werkstatt unter lauter Männern ist, stört sie nicht.

maria
Maria Lenz hat ihren Traumberuf gefunden.
Die Berlinerin lernt in der Werkstatt
carparts & promotor GmbH Kfz-Mechatronikerin

 

Frauen wie Maria Lenz sind immer noch Exotinnen in Berliner Autowerkstätten. Der Kfz-Mechantroniker – so nennen sich jetzt offiziell die Kfz-Mechaniker – ist eine klassische Männerdomäne. Daran hat sich nichts geändert. Bislang sind nur sieben Frauen in Berlin als neue Azubis registriert.

Ob nun Mechantroniker oder Mechaniker, es ist der begehrteste Beruf für männliche Schulabgänger in Deutschland. Die Folge ist, dass nur ein Bruchteil der Interessenten eine der begehrten Lehrstellen in der Autowerkstatt bekommen. Für dieses Jahr rechnet die Kfz-Innung mit etwa 500 Ausbildungsplätzen.

Die Kfz-Innung Berlin rät Interessierten zu Praktika während der Schulzeit. Zudem sollte im Bewerbungsschreiben die Bereitschaft geäußert werden, einige Tage Probe zu arbeiten. Und schließlich sollten sich Bewerber nicht nur auf den Beruf Mechantroniker versteifen sondern von vornherein Alternativen überlegen.

Wenn dann doch mal eine Frau daher kommt, kennen viele Kfz-Meister in Berlin nur einen Reflex: Um Gottes willen keine Mädchen. „Am Telefon haben sie immer erzählt, dass sie keine zweite Toilette hätten“, erzählt Maria. Sie wurde dann nicht mal eingeladen. Bekam damit nicht die Chance, begeistert davon zu erzählen, wie sie schon als Fünfjährige ihrem Vater nicht von der Seite wich, als der seinen Porsche 944 umbaute.

Nach 20 vergeblichen Bewerbungen landet sie im Vorstellungsgespräch bei Anselm Lotz, Geschäftsführer von Carparts Promoter. Die Mutter von Marias Freund hat das vermittelt. Lotz interessierten weder ihre Noten und noch, dass sie in der Schule statt Mathe und Physik die Leistungskurse Kunst und Sport belegt hat. Anselm Lotz sagt: „Wichtig ist uns, dass die Bewerber echtes Interesse zeigen.“ Das ist ihm wichtiger als Noten.

Sechs Frauen hat Lotz in seinem Unternehmen bisher ausgebildet. Er traut diesen Job zum einen Frauen zu. Zum anderen hat er gemerkt, dass Frauen disziplinierend wirken. „Wenn in der Werkstatt Mädels arbeiten, herrscht gleich ein besserer Umgang.“ Lotz bildet seit 1993 in seinem Betrieb aus. Anfangs war er ein Skeptiker. Seine Befürchtungen entsprachen denen, die viele Meister heute noch haben: Das kostet mich nur, das ist zu bürokratisch und zu aufwendig. Mittlerweile ist er in der Kfz-Innung Berlin für Berufsausbildung zuständig. Er hat dieses Jahr vier Lehrlinge eingestellt, insgesamt arbeiten 26 Leute für ihn. Jetzt hofft er, dass keiner der Azubis mitten in der Ausbildung abbricht. Bei Maria ist das wenig wahrscheinlich. Sie hat ihr Auto, einen alten Polo, aufgepeppt.

„Aber wenn man Autos richtig versteht, ist das noch viel besser.“

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